Wie vertrauenswürdig ist Naturkosmetik?

Wie vertrauenswürdig ist Naturkosmetik?

Der österreichische Kosmetikmarkt verzeichnete in den letzten Jahren ein Wachstum von ca. 2 % jährlich. Der Bereich der naturinspirierten bzw. Naturkosmetik hingegen verdoppelte sich von 2012 bis 2020. Das Interesse an dieser Art von Kosmetik hat also stark zugenommen.

Von diesem boomenden Markt angelockt, setzen immer mehr Unternehmen und Marken auf diesen Trend und bewerben ihre Produkte mit dem Hinweis auf natürliche Inhaltsstoffe.

Doch wem kannst du vertrauen?

Um als Konsument/in informierte Entscheidungen treffen zu können, braucht man zuallererst einmal das dafür nötige Basiswissen. Der folgende Blogartikel soll hierfür die Grundlage bilden und die wichtigsten Informationen zusammenfassen.

 

Grundsätzliche Unterteilung

Kosmetik kann grob gesagt in drei große Kategorien unterteilt werden, von "erfüllt die gesetzlichen Mindestvorschriften" bis hin zu "übertrifft die gesetzlichen Mindeststandards bei Weitem":

1. konventionelle Kosmetik 

In der EU muss konventionelle Kosmetik die Richtlinien der EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009 erfüllen, die auf die Sicherheit der verwendeten Inhaltsstoffe abzielt, unabhängig davon, ob diese natürlichen oder synthetischen Ursprungs sind. Darüber hinaus müssen keine Richtlinien erfüllt werden. Die verwendeten Ingredients sind sehr häufig petrochemischer Natur (= erdölbasiert).

2. naturinspirierte / naturnahe Kosmetik

Hierzu gehört ein großes Sammelsurium an Produkten aus dem Bereich der konventionellen Kosmetik mit einer nicht näher definierten Zusammensetzung aus natürlichen Inhaltsstoffen, naturidentischen Reproduktionen von natürlichen Inhaltsstoffen und synthetischen Stoffen, für die es keine eindeutigen Kriterien und keine spezifischen Kontrollen im Hinblick auf die Natürlichkeit (oder eben nicht) der verwendeten Rohstoffe gibt.

Naturinspirierte / naturnahe Kosmetik kann entgegen der Erwartungen der Verbraucher auch nur synthetische Ingredients enthalten, ohne einen einzigen authentischen natürlichen Rohstoff.

 

Dies ist einer der für KonsumentInnen schwer durchschaubaren Graubereiche, die sich Kosmetikanbieter gerne für Werbezwecke zu Nutzen machen.

 

3. Natur- und Biokosmetik

In der EU sind weder "Naturkosmetik" noch "Bio-Kosmetik" geschützte Begriffe, beide kommen nicht in der EU-Kosmetikverordnung vor.

In Österreich gibt es klare gesetzliche Vorgaben - im Sinne des Verbraucherschutzes wird im Österreichischen Lebensmittelbuch geregelt, an welche Vorgaben sich Hersteller sowohl bei der Produktion als auch bei der Bewerbung als Natur- und Biokosmetik zu halten haben.

In Deutschland gibt es diese Vorgaben nicht, Begriffe wie "Pflanzenkosmetik", "natürliche Kosmetik", "Naturkosmetik", "Biokosmetik" und ähnliche sind nicht gesetzlich geschützt und Anbieter dürfen daher diese Bezeichnungen auch dann für ihre Produkte verwenden, wenn diese für die Umwelt oder den Menschen bedenkliche Stoffe enthalten.

 

In beiden Fällen kann man sich nur bei zertifizierter Natur- bzw. Biokosmetik sicher sein, dass es sich um solche handelt.

 

Gütesiegel mit entsprechend anspruchsvollen und vertrauenswürdigen Kriterien lassen diese durch offiziell akkreditierte Kontrollstellen überprüfen.

Echte Naturkosmetik erfüllt somit u.a. die folgenden Kriterien, zusätzlich zur EU-Kosmetikverordnung:

  • natürlicher Ursprung - Die Rezeptur beinhaltet Großteils oder ausschließlich Rohstoffe natürlichen Ursprungs.
  • klare Definition - Nur bestimmte, klar definierte Methoden dürfen für die Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe verwendet werden.
  • keine gentechnisch veränderten Stoffe 
  • kein PEG, synthetische Farb- oder Duftstoffe - natürliche Riechstoffe müssen der internationalen Norm ISO 9235 entsprechen
  • keine Erdölprodukte 
  • keine Bestrahlung - Die Behandlung der Rohstoffe oder Endprodukte mit ionisierender (radioaktiver, Röntgen-) Strahlung zur Entkeimung ist nicht zugelassen.
  • eingeschränkte Konservierungsmittel - Die zugelassenen Konservierungsmittel sind im Vergleich zur EU-Kosmetikverordnung stark eingeschränkt.
  • keine Bestandteile von toten Wirbeltieren - Inhaltsstoffe, die von lebenden Wirbeltieren gewonnen werden, dürfen verwendet werden.
  • keine Tierversuche - Grundsätzlich ist die Testung von kosmetischen Fertigprodukten an Tieren im gesamten EU-Raum verboten (allerdings gibt es hier Schlupflöcher, mehr dazu in einem anderen Blogartikel - siehe unten). In Österreich ist zusätzlich auch die Testung von einzelnen Bestandteilen kosmetischer Mittel an Tieren verboten.

Liegt ein entsprechendes Gütesiegel vor, so erfüllt Biokosmetik

  1. alle Kriterien von Naturkosmetik und
  2. enthält einen fest definierten Prozentsatz an Rohstoffen biologischer Produktion. In Österreich etwa müssen mindestens 95 % der Rohstoffe landwirtschaftlichen Ursprungs biologisch sein.

Tragen Produkte kein Gütesiegel oder aber ein wenig vertrauenswürdiges Gütesiegel, so besteht keine Garantie, dass die oben erwähnten Kriterien erfüllt werden.

 

Gütesiegel

Wirklich gute Siegel werden in den meisten Fällen nur von kleineren Herstellern verwendet und sind daher wenig verbreitet. Große bekannte Marken verwenden in den allermeisten Fällen gar kein Gütesiegel.

Hinter vielen angeblichen Gütesiegeln steckt in Wirklichkeit oft die Großindustrie: Die Kontrollen sind schwach und die angewandten Kriterien dürftig, was bedeutet, dass ein Großteil dieser Produkte gerade einmal die gesetzlichen Mindeststandards erfüllt.

Welchen Gütesiegeln kann man also trauen?

Greenpeace hat Gütesiegel überprüft und sie auf einer fünfstufigen Skala von "sehr vertrauenswürdig" (die Gütesiegel gehen weit über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus) bis "absolut nicht vertrauenswürdig und umweltschädlich" bewertet. Zusätzlich wurde analysiert, ob die Siegel über ein nachvollziehbares, effektives Kontrollsystem mit strengen und transparenten Richtlinien verfügen. Dabei sind vor allem jene Gütesiegel als vertrauenswürdig einzustufen, die entweder vom Staat oder aber von privaten Stellen vergeben werden, die der Bio-Produktion und der Naturkosmetik nahestehen. 

Die Umweltschutzorganisation bewertet die meist genutzten Gütesiegel für Kosmetik wie folgt:

  • Sehr vertrauenswürdig: Austria Bio Garantie, BDIH + Cosmos Organic, Ecocert + Cosmos Organic, NCS Organic, NCS Vegan Organic, USDA Organic
  • Vertrauenswürdig: BDIH + Cosmos Natural, Ecocert + Cosmos Natural, Natrue, NCS Standard, NCS Vegan

Hinweis: Für unsere eigenen Produkte verwenden wir die Gütesiegel NCS Vegan Organic sowie NCS Standard. 

 

Greenwashing

Etliche Firmen und Marken bewerben ihre Produkte mit dem Hinweis auf natürliche Inhaltsstoffe oder einzelne verwendete Pflanzen. Sieht man sich dann die Liste der Inhaltsstoffe genauer an, erkennt man oft, dass die Erwartungen an "natürliche Kosmetik" nicht erfüllt werden: Die Produkte enthalten bedenkliche synthetische Ingredients, umweltschädliche Polymere oder hormonell wirksame Stoffe.

Welche sind die häufigsten von der Kosmetikbranche verwendeten Tricks, um VerbraucherInnen falsche Natürlichkeit vorzugaukeln, obwohl kein entsprechendes Gütesiegel vorliegt?

  • Bilder von Pflanzen oder Früchten, oft in Verbindung mit Werbeaussagen wie "mit Aloe Vera"
  • Aussagen wie "natürliche Inhaltsstoffe", ohne Beleg durch ein Gütesiegel
  • überproportionale Hervorhebung - Die Natürlichkeit einiger weniger Inhaltsstoffe des Produktes wird überproportional hervorgehoben, um davon abzulenken, wie wenig natürlich der Rest der Rezeptur ist.
  • "frei von ..." - Ähnlich verhält es sich mit der Aussage, das Produkt sei "frei von" diesem oder jenem, ohne aber gleichzeitig auf andere potenziell bedenkliche Inhaltsstoffe aufmerksam zu machen.
  • Wasser wird als "natürliche Zutat" gerechnet, wodurch es speziell bei flüssigen Produkten zu irreführenden Werbeaussagen wie "über 90 % Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs" kommen kann - was davon ablenkt, was wohl in den restlichen 10 % Ingredients steckt.
  • "Bio" im Namen, obwohl weder das Produkt bio-zertifiziert ist noch die Inhaltsstoffe biologischer Herkunft sind.
  • ungeschützte Begriffe - In Deutschland (oder anderen Ländern, in denen diese Begriffe nicht gesetzlich geschützt sind) werden Bezeichnungen wie "Pflanzenkosmetik", "natürliche Kosmetik", "Naturkosmetik", "Biokosmetik" oder Ähnliches ohne entsprechendes Siegel benutzt.

 

Selbst Marken wie LUSH, The Body Shop oder Yves Rocher, die sehr stark mit dem Image der Natürlichkeit flirten, sind laut Greenpeace weniger natürlich, als VerbraucherInnen sich das erwarten würden.

Unter anderem fallen folgende Marken mit grünem Anstrich beim Ökotest durch:

  • HelloBody ("wie gewollt und nicht ganz gekonnt")
  • Kiehl's ("Oft harte Chemie in der Kosmetik")
  • L'Occitane ("Problematische Stoffe")
  • Lush ("Nicht viele grüne Inhaltsstoffe")
  • Rituals ("Bedenkliche Inhaltsstoffe").

 

Wollt ihr euch und der Umwelt etwas Gutes tun, raten wir daher, auf Nummer Sicher zu gehen und nur zertifizierte Natur- und Biokosmetik mit vertrauenswürdigem Gütesiegel zu kaufen.

 

Quellen
Greenpeace Österreich, "Factsheet Marktcheck Naturkosmetik Juli 2020"
Naturkosmetik Camp, "Konventionell, naturinspiriert oder Natur- und Biokosmetik – wo liegen die Unterschiede bei den Inhaltsstoffen?"
EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr. 1223/2009
Verbraucherzentrale Deutschland, "Was ist Naturkosmetik?"
Verbraucherzentrale Hamburg, "Naturkosmetik unter falscher Flagge"
Verbraucherzentrale Hamburg, "Wie erkenne ich Naturkosmetik und natürliche Pflegeprodukte?"
Österreichisches Lebensmittelbuch, "Naturkosmetik"
Österreichisches Lebensmittelbuch, "Biokosmetika"
Greenpeace Österreich, "Der Gütezeichen-Guide für Kosmetik, Hygieneprodukte, Wasch- und Reinigungsmittel"
Ökotest, "Echte Naturkosmetik erkennen: So schützen Sie sich vor Greenwashing"
Ökotest, "Rituals, Kiehl's, Lush & Co.: Wie grün sind diese 15 Kosmetik-Marken?"
ORF.at, "Nicht alle Kosmetikgütesiegel sind vertrauenswürdig"

 

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