Tierversuche in Kosmetik

Tierversuche

Weltweit werden jedes Jahr mehr als 115 Millionen Tiere in Tierversuchen getötet, Dunkelziffern (aus den verschiedensten Gründen nicht statistisch erfasste Tierversuche) nicht eingerechnet. In der EU werden jährlich ca. 11 Millionen Tiere für Versuche verwendet, im kleinen Österreich waren es 2018 immerhin auch noch fast 238.000 Tiere.

In welchen Bereichen werden Tierversuche durchgeführt?

  • Grundlagenforschung: Etwa 40 % der Versuchstiere müssen im Namen rein wissenschaftlichen Interesses leiden. Ob dies gerechtfertigt ist, ist wohl Ansichtssache.
  • Arzneimittel: An ca. 20 % der Tiere werden im Rahmen der Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten Tests durchgeführt. 
  • Toxikologie: Hier werden Substanzen an Tieren auf Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit für Mensch und Umwelt geprüft. Diese Tests werden vor allem für die verschiedensten Chemikalien für u.a. Reinigungsmittel, Farben und Pflanzenschutzmittel durchgeführt.
  • Ausbildung, Militär, Raumfahrt: Die restlichen Tests dienen Übungs-, Demonstrations- und Versuchszwecken im Bereich der Aus- und Weiterbildung hauptsächlich in den Bereichen Biologie und Medizin und zusätzlich für z.B. Krankheitsdiagnosen oder Forschung bei Militär und Raumfahrt.

Sind Tierversuche ein bedauernswertes, aber notwendiges Übel für die Sicherheit und den Fortschritt der Menschheit? Man darf es bezweifeln:

  • Eigentlich herrscht unter Ärzten und Forschern relative Einigkeit, dass die im Tierversuch erzielten Ergebnisse nicht mit Sicherheit auf den Menschen übertragen werden können und sich auch im Tierversuch erprobte Produkte später als schädlich für den Menschen herausstellen können.
  • Außerdem gäbe es prinzipiell schon längst wesentlich besser geeignete Test-Methoden (wie z.B. Zellkulturtechniken, bildgebende Verfahren, Bio-Chips), die ohne Tierleid auskommen. Leider scheitern diese in der Praxis aber oft immer noch an bürokratischen Hürden bzw. der großen Zahl an kostspieligen Nachweisen, die verlangt werden, bevor diese als Alternative zu den etablierten Tierversuchen zugelassen werden.
  • In Österreich findet eine wissenschaftlich fundierte Schaden-Nutzen-Analyse von Tierversuchen bislang nicht statt, ein Vorstoß in diese Richtung wurde vor einigen Jahren von der Politik gekippt. Ob ein spezifischer Tierversuch tatsächlich vonnöten ist, wird daher nicht unbedingt nach objektiven und ausführlichen Kriterien bewertet.
  • Die vom österreichischen Tierschutzgesetz vorgesehenen regelmäßigen Kontrollen in Tierversuchslabors finden in der Praxis oft nicht statt, vielfach werden Versuche ohne vorherige Begutachtung genehmigt. Diese Genehmigung kann laut Tierversuchsgesetz auch von nur einer einzigen Person (ohne Gegenkontrolle) erteilt werden.

Angesichts dieser Informationen ist die Anzahl an Tieren, die für (unnötige?) Versuche leiden muss, wahrlich schwindelerregend und schrecklich.

Aber zumindest in der europäischen Kosmetikbranche sind Tierversuche doch jetzt verboten, richtig!? 

Korrekt. Und doch ist das nur die halbe Wahrheit.

Seit 2013 sind Tierversuche für Kosmetika laut EU-Kosmetikverordnung verboten. Diese Regelung umfasst:

  • sowohl Endprodukte als auch deren Inhaltsstoffe
  • Produkte, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU hergestellt wurden
  • Sie verbietet auch EU-weit den Verkauf von Kosmetika, die außerhalb der EU an Tieren getestet wurden. 

Klingt doch gut! Wo ist denn da jetzt das Problem?

Das größte Problem ist, kurz gesagt, der kleine Zusatz "für Kosmetika". Denn Inhaltsstoffe dürfen weiterhin an Tieren getestet werden, wenn diese nicht ausschließlich für die Herstellung von Kosmetikprodukten zum Einsatz kommen. 

Und damit gilt das Verbot nur für einen sehr kleinen Teil rein kosmetischer Inhaltsstoffe, denn der Großteil der in Kosmetik verwendeten Substanzen (bis zu 90 %) wird auch zu anderen Zwecken verwendet, fällt in die EU-Chemikalienrichtlinie und darf (teilweise: muss!) daher an Tieren getestet werden. Nichts hindert Firmen daran, Inhaltsstoffe zu verwenden, die für andere Zwecke an Tieren getestet wurden, solange dies nicht ausschließlich für Kosmetika geschah.

Ein weiteres Problem ist, dass China aktuell (auch wenn an Verbesserungen gearbeitet wird) noch immer in vielen Fällen Tierversuche anordnet, bevor eine Firma ihre Kosmetikprodukte in der Volksrepublik vertreiben darf. Das Unternehmen darf die bei den in China durchgeführten Tierversuchen gewonnenen Daten dann zwar nicht offiziell für Produkte verwenden, die es in der EU verkaufen will - aber als wirklich tierversuchsfrei kann man eine solche Firma eigentlich auch nicht mehr bezeichnen, wenn sie Tierversuche in Kauf nimmt, um den Riesenmarkt China aus Profitgründen anzapfen zu können.  

Warum und an wem werden Tierversuche für Kosmetika durchgeführt?

  • Entgegen gegenteiliger Behauptungen dienen Tierversuche eher der Absicherung der Hersteller (vor potenziellen Ersatzansprüchen) als dem Schutz der Verbraucher.
  • Durchgeführt werden hauptsächlich Reizungs- und Ätzungsversuche auf der rasierten Haut, bei denen es oft zu Entzündungen, Geschwüren, eiternden und blutenden Wunden kommt.
  • Am häufigsten werden hierfür Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und Mäuse verwendet.

Wie stellst du sicher, dass du nur zu 100 % tierversuchsfreie Kosmetik verwendest?

Die brutale Antwort: Gar nicht.

Die Bezeichnung "tierversuchsfrei" für Kosmetika ist schonungslos offen und ehrlich gesagt hauptsächlich Definitionssache: 

  1. Es dürfen weiterhin Inhaltsstoffe für Kosmetika verwendet werden, die vor in Krafttreten des Verbots an Tieren getestet wurden.
  2. Kein Hersteller kann garantieren, dass von ihm verwendete Inhaltsstoffe nicht von irgendjemand anderem auf der Welt zu irgendeinem Zeitpunkt an Tieren getestet wurden und diese Erkenntnisse irgendwann in der Vergangenheit in die Daten zu diesem Inhaltsstoff eingeflossen sind.

Das bedeutet, dass man sich in der Praxis in den meisten Fällen mit einem "es wird aktuell nicht von diesem Unternehmen an Tieren getestet" zufrieden geben muss bzw. im Fall der strengeren Siegel damit, dass die Inhaltsstoffe seit einem bestimmten Stichdatum nicht mehr an Tieren getestet wurden.

Nach diesem traurigen Reality Check nun aber auch gute Nachrichten: Selbstverständlich gibt es Kosmetikprodukte, die im Hinblick auf Tierversuche deutlich besser dastehen als andere. Diese erkennst du - wieder mal - an vertrauenswürdigen Gütesiegeln:

Hase mit schützender Hand

  • Im Hinblick auf Tierversuche wohl das derzeit strengste Gütesiegel.
  • Es dürfen keine Inhaltsstoffe verwendet werden, die nach 1979 an Tieren getestet wurden.
  • Inhaltsstoffe toter Tiere bzw. aus tierquälerischer Haltung sind ausgeschlossen.
  • Die Marktpräsenz in Ländern, in denen Tierversuche durchgeführt werden, ist verboten.
  • Es darf keine wirtschaftliche Abhängigkeit zu Firmen bestehen, die Tierversuche durchführen oder beauftragen.
  • (Einzige) Schwachstelle: Von Schafen mit bedenklichen Methoden gewonnenes Lanolin (Wollwachs) ist erlaubt.

Leaping Bunny

  • Weniger streng als der Hase mit der schützenden Hand.
  • Unternehmen dürfen selbst festlegen, ab welchem Stichdatum die verwendeten Inhaltsstoffe nicht mehr an Tieren getestet wurden (das Stichdatum darf aber zumindest im Nachhinein nicht mehr geändert werden).
  • Unternehmen dürfen mit ihren Produkten nicht am chinesischen Markt registriert sein.
  • Schwachstellen: Lanolin ist auch hier erlaubt und zertifizierte Firmen dürfen auch zu einem Konzern gehören, der Tierversuche durchführt oder in Auftrag gibt.

PETA Cruelty-Free

  • Unternehmen müssen schriftlich bestätigen, dass sie auf Tierversuche verzichten und nicht am chinesischen Markt agieren.
  • Schwachstellen: Lanolin ist auch hier erlaubt und zertifizierte Firmen dürfen auch zu einem Konzern gehören, der Tierversuche durchführt oder in Auftrag gibt.

Vegan-Zertifizierungen (z.B. Veganblume, V-Label)

  • Garantieren, dass keine tierischen Bestandteile verwendet werden, bieten aber nicht zwingend ausgefeilte Regelungen hinsichtlich Tierversuchen, hier muss man sich im Einzelfall über die genauen Regelungen für die Zertifizierung informieren.

Bio- und Naturkosmetik-Siegel

  • Die Frage von Tierversuchen wird unterschiedlich geregelt, daher ist man auch hier gut daran beraten, sich über die vom jeweiligen Standard angewandten Kriterien im Detail zu informieren.
  • Die Verwendung von Lanolin oder die Produktregistrierung in China wird zum aktuellen Stand von keinem der Gütesiegel explizit in diesem Wortlaut ausgeschlossen.

Das von uns verwendete Gütesiegel NCS bzw. NCS Vegan Organic Quality sieht Folgendes vor:

  • Tierversuche sind im Zusammenhang mit Herstellung und Vertrieb NCS-zertifizierter Produkte nicht gestattet.
  • Tierische und pflanzliche Rohstoffe von bedrohten Arten dürfen nur von lebenden Tieren aus artgerechter Haltung stammen bzw. aus artgerechtem ökologischem Anbau. 
  • Naturstoffe von toten Wirbeltieren sind nicht gestattet (z.B. Kollagen, Frischzellen, etc.).

Zusätzlich können wir versichern:

  • Wir haben nie und werden nie Tierversuche in Auftrag geben.
  • Wir werden niemals unsere Produkte in Ländern vertreiben, die für eine Markteinführung die Durchführung von Tierversuchen verlangen.
  • Der einzige tierische Rohstoff, den wir für unsere Produkte verwenden, ist Bio-Bienenwachs aus Österreich.

 

Wir hoffen, dass euch dieser Artikel dabei hilft, informierte Entscheidungen zu treffen. Weiterführende Artikel findet ihr in unseren Quellenangaben.

 

Quellen:
Peta.de, Oktober 2020, "Tierversuche für Kosmetik in Deutschland: Verbot, Ausnahmen, Ablauf"
kosmetik.org, "Tierversuche in der Kosmetikindustrie"
Tierschutzbund.de, "Tierversuche für Kosmetik"
Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsethik, 05.05.2021, "Natural Cosmetics Standard"
tierversuche-verstehen.de, "Tierversuche und Kosmetik - Die zehn größten Mythen"
vegan.at, 25.04.2019, "FAQ - Vegane Gütesiegel"
ethikguide.org, "Gütesiegel für tier- und hautfreundliche Kosmetik"
ethikguide.org, "Tierversuche - Zahlen, Daten, Fakten"
AK Oberösterreich, "Kosmetik ohne Tierleid? Leider noch lange nicht!"
Ages.at, 14.04.2021, "Tierversuche sind verboten"
Verein gegen Tierfabriken, "Hintergrundwissen Tierversuche"
Tierschutzverein, 24.10.2019, "Grausam, unethisch, vermeidbar: Tierversuche in Österreich"

 

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